Serbien
Reisebericht: Gregors Motorradreise in den Balkan
22.Mai - 18. Juni 2004
27. Mai, Nord-Serbien
Über die serbische Grenze kurz vor Szeged bei Röszke. Ich fahre entlang der Theiss in die nächste serbische Stadt Kanjiza. Serbisch? Nein, hier ist zwar serbisches Territorium, aber ich bin eigentlich immer noch in Ungarn. Genau gesagt, in der Vojvodina, die nördlichste Provinz Serbiens - der Landesteil nördlich der Donau, der bis zum 1. Weltkrieg zu Österreich-Ungarn gehörte.
Hier ganz im Norden ist die vorherrschende Sprache Ungarisch, die Straßenschilder sind neben kyrillischer Schrift auch in lateinischen Buchstaben verfasst.
Das Land hier ist arm, dafür sind die Handwerker um so besser, hat man mir gesagt. Ich suche mir einen Optikerladen und zeige mein in drei Teile zerbrochenes Brillengestell. Kann man das löten? Klar kann man das. So was machen wir oft. Also überlasse ich der hübschen Optikerin die Scherben meiner Designerbrille. Mal sehen.
Ich fahre durch winzige Dörfer, über Felder und durch
Weideland - Puszta, mit Ziehbrunnen und Viehherden. Plötzlich
hört die Straße auf und ich muss einige Kilometer auf
unbefestigten Feldwegen überwinden.
In einem kleinen Nest namens "Novo 0rahovo" finde ich Quartier. Ich kann mein Mopped waschen, kriege ein kühles Bier, die Mama wäscht mir die verschwitzten Klamotten, und Papa Jozef macht ein gutes Essen.
28.Mai, Vojvodina
Ich muss auf die Reparatur meiner Brille warten, also kreuze ich
durch die anliegenden Dörfer. Der Wochenmarkt in Subotica ist
sehenswert. Außer Jeans, Sandalen, bunten T-Shirts, Obst und
Gemüse gibt’s hier alles was der Mensch sonst noch braucht. Von
Eisenwaren über Ersatzteile für Traktoren und Trabbis bis
hin zu Handys. Ich lass mir für ein paar Euro ein neues
Gehäuse für mein Handy montieren, das hier in Deutschland
sicher das 10fache gekostet hätte.
Am Abend krieg ich meine Brille zurück. Die filigranen
Rahmenteile sind tatsächlich sauber gelötet, ich kann
wieder ordentlich sehen. Was kostet es? Nichts, sagt die
hübsche Optikerin.
Die Orientierung ist manchmal nicht einfach hier. Die Straßenschilder sind in serbisch-kyrillischer Schrift, in serbisch lateinisch, und ungarisch verfasst. Drei Varianten der Ortsnamen, damit sollte jedem gedient sein, meint man. Nun sind die ethnischen Minderheiten, wie das hier halt so ist, nicht immer gut aufeinander zu sprechen. Also kommt es schon mal vor, dass ein politischer Aktivist die Ortsnamen in der Sprache der anderen Volksgruppe mit schwarzer Sprühfarbe unleserlich macht. Worauf der gegnerische Aktivist die noch verbliebenen Schriftzeichen auch noch übersprüht. Das Ergebnis ist der Navigation des Touristen nicht gerade dienlich.
29. Mai, Richtung Rumänien
Jozef hat mir noch eine Riesenportion Frikadellen als Wegzehrung
zubereitet und ich verabschiede mich Richtung Rumänien.
Über Kikinda geht’s Richtung Grenze. Nochmal Puszta,
Ziehbrunnen, Kamillenfelder. Die Wegweiser sind nicht immer gut
leserlich, aber das hat man davon, wenn man auf dem Balkan auf
Straßen vierter Ordnung fährt.
Im letzten Ort vor der Rumänischen Grenze mach ich Rast. Ich
setzte mich auf eine Bank am Rande der Dorfstrasse und verzehre meine
Frikadellen, Paprika und Brot. Ein Hoftor öffnet sich und ein
alter Herr reicht mir eine Flasche feinsten eisgekühlten
Orangensaft. Die Dorfbuben sind fasziniert von meinem Mopped.