Ungarn
Reisebericht: Gregors Motorradreise in den Balkan
22.Mai - 18. Juni 2004
24. Mai, Wienerwald bis Heviz, Ungarn
Endlich blauer Himmel. Es ist zwar immer noch kühl, kaum 12°, aber die lockere Bewölkung und die Sonne sind gut fürs Gemüt.
Nach gut 1 Stunde überquere ich die ungarische Grenze bei Sopron. Dort, wo ich noch vor 15 Jahren, kurz vor dem Fall der Mauer, zusehen musste, wie die DDR Flüchtlinge auf dem Weg zur Grenze von der Ungarischen Polizei am Grenzübertritt gehindert wurden, kann man jetzt in beide Richtungen mit dem Personalausweis ohne Wartezeit durch.
Über Sopron geht es zu dem kleinen Ort Bükfürdö.
Im Jahr 1950 wurde dort nach Öl gebohrt, und dabei ist man auf
eine 58 Grad Celsius warme Quelle gestoßen. Mit einer
Wassermenge von 1.000 Litern pro Minute entstand der ergiebigste
Thermalbrunnen Mitteleuropas. Heute nehmen die Freibäder und die
überdachten Becken, die Hotels und Kuranlagen ein gutes Duzend
Hektar ein.
Im Sommer müssen hier wohl Tausende von Touristen sein, die
Campingplätze, Zimmervermietungen, Kioske, Restaurants sind
offensichtlich auf Massenbetrieb eingerichtet. Jetzt im Mai ist es
noch verschlafen. Ich genieße die erste ungarische Brotzeit
mit Salami, Paprika und Tomaten.
Weiter nach Süden über Nebenstraßen durch grüne Frühlingsfelder. Am West-Ende des Plattensees liegt die herrlich grüne Landschaft des Kis-Balaton. Pittoreske Dörfer mit schön renovierten Häusern, überall gibt es Zimmer zu mieten. Der Wohlstand ist offensichtlich, hier bringt der Tourismus schon seit ewigen Zeiten gutes Geld ins Land. Keszthely am See ist ein schmuckes Städtchen mit sehenswertem Barockschloss.
Nebenan in der Stadt Heviz finde ich ein preiswertes Quartier. Hier
gibt es einen von warmen Quellen gespeisten See und natürlich
jede Menge Kurgäste. Am Abend ertönt in der Innenstadt ein
Operettenkonzert. Während ich ein Bier im Straßencafe
nehme, zieh ich mir wohl oder übel das halbe "Im weißen
Rössl" rein: Was kann der Sigismund dafür dass er so
schön ist.
25. Mai, Heviz bis Komlo
Der warme Mineralsee von Hévíz ist der größte natürliche Thermalsee
Europas mit einer Fläche von rund 4,4 ha. Er wird durch eine
heiße Quelle in 38m Tiefe gespeist. Er ist Sommers wie Winters über 20
Grad warm, in der Mitte gar über 30. Die Seerosen gedeihen in
dem warmen Wasser prächtig, und ein Bad hier ist bei dem Wetter
grad das richtige.
Die Fahrt führt mich durch den Kis-Balaton (Klein Balaton).
Natur pur, Vogelschutzgebiet, Seen Sümpfe, üppigen Wiesen,
Wälder. Diese 69 km² große "Wildwasserwelt" war einst Teil
des Balaton, doch nach und nach wurde sie aufgeschüttet. In den
80er Jahren haben die Hydrologen einen Teil des ehemaligen
Sumpfgebietes wiederhergestellt und damit einen natürlichen
Filter geschaffen, der den Balaton vor Anschwemmungen des
Zala-Flusses und vor anderen Schadstoffen schützt. In dem mit
Schilfgras, Schilfrohr und anderen Wasserpflanzen bewachsenen Sumpf
nisten und leben mehrere hunderttausend Vögel.
In der Nähe gibt es auch ein Reservat mit
Hauswasserbüffeln. Die imposanten schwarzen Kolosse, heute nur
noch Touristenattraktion, waren früher als Arbeits- und
Milchvieh im Balkan weit verbreitet. Wann der Wasserbüffel aus
Asien nach Südosteuropa kam, ist umstritten. Um 1200 war er
schon im Kaiserreich Bulgarien. Von da gelangte er dann in die
Tiefländer der Donau bis Rumänien und Ungarn.
Weiter Richtung Süden. In einem Dorf am Zala-Fluss fällt
mir ein interessantes Fahrzeug auf. Der Motor ist 50 Jahre alt, im
Getriebe funktionieren nur noch 2 Gänge, aber seit 3
Generationen erledigt dieses urige Trike alle landwirtschaftlichen
und sonstigen Fahrdienste der Familie.
Richtung Pecs, geht es durch die liebliche Hügellandschaft des Mecsek, durch malerische Dörfer, Storchennester auf den Kirchen, dabei alles grün und saftig, überall duftende, blühende Akazien, und Nebenstraßen ohne Verkehr.

Lászlo’s Frau Gori bewirtet mich fürstlich, es gibt eine wunderbare Gemüsesuppe, mit Käse gefüllte Tomaten und Paprika, und zum Schluss Gori’s Quark-Kirsch Pie:
Zutaten: 300g Mehl, 200g Puderzucker, Backpulver, Vanillezucker, 200 ml Milch, 500g Quark halbfett, geriebene Zitronenschale, 2 Eier, 1 Glas Sauerkirschen.
Zubereitung: Das Mehl mit dem Puderzucker, Backpulver und Vanillezucker trocken (!) vermengen. Die Hälfte des Gemisches in einer Pie-Form ausbreiten. Den Quark mit der Zitronenschale vermengen und auf dem Mehlgemisch ausbreiten. Darauf kommen die abgetropften Sauerkirschen, darauf wieder eine Schicht Mehlgemisch. Die Eier mit der Milch verquirlen und drüber gießen. Das ganze bei 200 Grad 30 Minuten backen. Die Milch, die Feuchtigkeit des Quarks und der Kirschen durchtränken dabei das Mehlgemisch, der Teig entsteht ganz von selber. Das Ergebnis hat mir ganz vorzüglich geschmeckt.
Nach dem Essen klimpere ich ein wenig auf Gori’s Gitarre, worauf mich Lászlo sofort verpflichtet, am nächsten Morgen in der Fabrik ein Konzert für die Arbeiter zu geben.
26. Mai, Komlo und Pécs
Nach dem Frühstück darf ich die Besenfabrik besichtigen. Um 10 Uhr in der Weberei werden alle Arbeitskräfte zusammengerufen und ich darf mein Konzert abliefern. Ich war anfangs skeptisch, aber das Publikum ist extrem dankbar und so macht es auch mir ausnehmend Spaß. Mein Lohn für 20 Minuten Spiel ist ein kleiner handgewebter Flickenteppich und ein Bildband von Ungarn. Beide blähen zwar mein Reisegepäck etwas auf, aber ablehnen kann ich sie nicht.
Um die Mittagszeit fahre ich nach Pécs. Dalma, die Chefsekretärin, macht den Fremdenführer.
Pécs ist europaweit berühmt für seine interessanten
Kunstfestivals und für die in der Stadt lebenden Künstler.
Das Klima, die winkeligen Gässchen, die Feigensträucher in
der Innenstadt und die Straßenrestaurants und Cafés
verleihen der Stadt mediterranes Ambiente. Ich besichtige die
Basilika mit ihren 4 Kirchtürmen, die Moschee, die Stadtmauer,
und das bunte Treiben in den Gassen der Innenstadt.
Am Nachmittag mach ich mit Lászlo eine Motorrad-Rundfahrt. Der fährt allerdings nur einen 50er Roller. Also langsam. Dafür habe ich um so mehr Muße, die Landschaft zu genießen. Von Komlo zum Orfü See, hin und zurück 80 km in 3 Stunden.
Am Abend fahre ich mit Lászlo und seiner gesamten Familie zum Essen
nach Villany (Wieland). Der malerische Ort am Fuße des Berges
Szársomlyó, nahe der kroatischen Grenze, mit zahllosen Weinkellern in
den umliegenden Bergen, ist seit der Ankunft deutscher Weinbauern im
18. Jahrhundert ein Zentrum des Weinbaus. Hier ist dank seines
mediterranen Klimas eine der berühmtesten Weingegenden Ungarns,
und sie kann sich mit Rotweinen der feinsten Sorte rühmen.
27. Mai, Komlo nach Nord-Serbien
Von Pécs geht die Fahrt durch das Mecsek Hügelland nach Mohacs zur Donaufähre. Danach durch die südliche Puszta Richtung Szeged.