Rumänien [1]
Reisebericht: Gregors Motorradreise in den Balkan
22.Mai - 18. Juni 2004
29. Mai, Timisoara, Rumänien
Die Grenzformalitäten sind flink und locker. Weiter geht es
durch Mohnwiesen und Kamillenfelder nach Timisoara (Temeschwar).
Erste Überraschung: Die Bankomaten akzeptieren nun auch meine
EC-Karte.
Meine erste Station sind die Markthallen im Zentrum. Die Zeiten der
sozialistischen Mangelwirtschaft sind lange vorbei. Obst und
Gemüse gibt’s in Massen, nach unseren Maßstäben zu
billigen Preisen. Für einen rumänischen Angestellten, der
gerade mal 80 EUR im Monat verdient, sieht das natürlich anders
aus. Auffallend ist der Blumenmarkt, der ist fast noch
größer als der Obstmarkt. Die Tische biegen sich unter
der Last von tausend Blumensträußen, einer bunter als der
andere. Ich wundere mich über das reichhaltige Angebot, Blumen
kann man doch nicht essen?
Eine passende Unterkunft zu finden ist auf Anhieb nicht ganz einfach, schließlich engagiere ich für 1 EUR einen Taxifahrer, der vor mir herfährt, und mich zum "La Luna", einem schönen, aber für hiesige Verhältnisse (25 EUR) nicht ganz preiswerten Hotel führt.
Hier gefällt es mir. Der große Platz im Stadtzentrum mit
der byzantinischen Kathedrale ist eine Wucht. Die Architektur hier
ist aus dem 19. Jahrhundert und chic wie in Wien - nur etwas
angegammelt. Eine hübsche Roma spricht mich in schönstem
Deutsch an. Sie wohnt in Frankfurt, und ist hier nur mal so auf
Heimattrip. "Wenn du nach Frankfurt kommst, kannst du mich besuchen",
sagt sie. Und außerdem soll ich ihr jetzt gleich mal 5 Euro
schenken, es ist für das Kind. Na ja.
Auf dem Unirii Platz im Norden der Innenstadt gibts heute ein Hardrock-Konzert mit einer Killerband. Tausende von Leuten, locker ist es hier. Ich weiß nicht in welcher Sprache sie singen, aber es rockt voll gut.
Das üppige Abendessen in einem ordentlichen Restaurant mit Hauptspeise, Salat und Bier kostet ganze 4 EUR. Und danach schenkt mir der Besitzer noch ein Ticket für die Fahrt mit der Straßenbahn zurück zum Hotel.
30. Mai, Richtung Westsiebenbürgisches Hochland
Durch die Ebene von Timisoara nach Lugoj geht es über eine mittelmäßige Straße durch ärmliche Dörfer. In Logoj begegnet mir die katholische Pfingstprozession, gerade so wie ich es als Kind in Bayern im Gedächtnis habe. Die Katholiken, das waren hier mal die Volksdeutschen, aber die sind spätestens seit der Wende so ziemlich alle weg. Was geblieben ist, sind die Kirchen, die Pfarrer, und nicht wenige Rumänen, die statt in die traditionelle orthodoxe Kirche nun in die katholische gehen.
Weiter auf der Straße dritter Ordnung nach Deva. Die Landschaft
wird hügelig, es sind die Vorläufer des
Westsiebenbürgischen Hochlandes, auch manchmal als
"Rumänische Westkarpaten" bezeichnet. Ich gerate in ein
Gewitter, welches ich im Straßengraben unter einem großen
Baum aussitze. Danach geht es weiter, mit grandiosen Aussichten auf
die malerische Mittelgebirgslandschaft.
Das Wetter ist nach wie vor unbeständig, ich hab die letzten zwei Tage etwa 10 mal die Regenkombi an- und ausgezogen. Allerdings waren das immer nur leichte Schauer, die sich nach spätestens 1 Stunde verzogen haben. Sehr heiß ist es nicht, wenn die Sonne scheint so um die 22 Grad, so wie ich das liebe.
Bei Deva biege ich ab nach Norden, Richtung Hochland. Die
Straße ist tipptopp, topfeben, sanft kurvig durch pittoreske
Dörfer. Dafür ist die Stadt Brad ein übler Scherz. Die Stadt
wurde in den 50er Jahren für die Bergarbeiter der dortigen
Goldmine aus dem Boden gestampft. So sieht sie auch aus: Schmuddelig
graue Plattenbauten, unbefestigte Gehwege, wenig Geschäfte.
Vielleicht hat auch der graue Himmel zu dem schlechten Eindruck
beigetragen.
Ich finde eine superbillige aber saubere, ansprechende Pension: 6 EUR. Zum Essen gehe ich ins "Millenium", das einzige Restaurant der Stadt. Die Speisekarte ist ein Rätsel, was um Himmels Willen ist Muschi de Vita? ? Aber wie immer kann irgendwer am Nebentisch Deutsch, es ist kein wirkliches Problem.