Rumänien [3]

Reisebericht: Gregors Motorradreise in den Balkan
22.Mai - 18. Juni 2004

1. Juni, Sibiu (Hermannstadt)

Endlich schaffe ich es, mal früh auf die Räder zu kommen. Eigentlich wollte ich in Turda ein Internetcafe suchen, aber der Anblick der Stadt ist schon aus der Ferne wenig einladend, also mach ich einen Bogen drum und fahr nach Süden auf der E60 Richtung Sibiu. Hier ist die Straße breit und bestens ausgebaut, allerdings auch mit entsprechendem Verkehr gesegnet.

Bei Unirea, abseits der Dörfer, in waldloser, karger, fast unbewohnter Hügellandschaft, sieht man die Kuppeln einer Kirche hinter den Hügeln. Ein Feldweg führt zum Nonnenkloster Dombrova. Ich betrete die reich geschmückte, mit Ikonen und Fresken übersäte Kirche und finde alle Nonnen dort zum Gebet versammelt. Hoppla, darf ich hier eigentlich rein? Ich komme mir etwas deplaziert vor. Andererseits, vielleicht beten die hier den ganzen Tag und sind gelegentliche Touristen gewohnt? Ich mach schnell ein Foto, werfe ein paar Pfennige in den Opferstock und verdrücke mich wieder.

1. Juni, Aiud, Siebenbürgen 1. Juni, Aiud, Siebenbürgen

Die nächste größere Stadt ist Aiud. Am Wochenmarkt ist meine olle Suzuki mal wieder der Hingucker. Weiter geht es durch Alba Iulia, einer lebendigen, halbwegs modernen, freundlichen Stadt.

30 km vor vor Sibiu mache ich Halt in dem ehemals deutschen Dorf Großpold, heute Apoldo de Sus. Bis kurz vor der Wende lebten hier bis zu 2000 Volksdeutsche, heute weniger als 100. Viele kehren hier mehrmals jährlich zurück und benutzen die Anwesen ihrer Vorfahren als Ferienhäuser. Ich werde bei solch einer Deutschen Familie zum Kaffee eingeladen. Die beiden Söhne sind in Deutschland geboren, finden aber hier bei den Einheimischen jede Menge Spielkameraden. Sie sprechen kaum rumänisch, dafür können viele rumänische Jugendlichen hier deutsch. Wie kommt das? Nun, obwohl die Deutschen nach der Wende das Dorf verlassen haben, wird die deutsche Schule hier weitergeführt. Sie wird jetzt vornehmlich von Rumänen besucht, bei denen der Besuch der deutschen Schule als nützliches Privileg gilt. Es ist bizarr: Die Deutschen sind fort, die Sprache ist hier geblieben.

1. Juni, Sibiu (Hermannstadt)

Ich erreiche Herrmannstadt bzw. Sibiu, die Hauptstadt von Siebenbürgen. Die Altstadt schaut aus wie im 18. Jahrhundert, kein einziges neues Gebäude, ein unglaublich geschlossenes, schönes Stadtbild. 1. Juni, Sibiu (Hermannstadt)

Auf dem zentralen Platz der Stadt, dem großen Markt, ist heute internationales Folk Musik Festival. Es wird gefiedelt, getrommelt, gesungen, getanzt und geflötet. Frisch gegrillte Hackröllchen gibts, und Bier und frischen Hefekrustenkuchen.

Zwar sind die zentralen Plätze und Häuserfronten zumindest äußerlich einigermassen im Schuss. Die untere Altstadt, so pittoresk sie ist, ist allerdings sehr am bröckeln. Obwohl vielerorts etwas restauriert wird, ist fraglich, ob man das hier alles auf Dauer retten kann. Dazu wäre ein Vermögen wie das von Bill Gates erforderlich, Rumänien hat das nicht.

Im Zentrum an der Kirche wird gerade an der Kanalisation gebuddelt, dort wo vor vielen Jahrhunderten der Friedhof war. Der Bagger hat Unmengen von menschlichen Knochen freigelegt welche das Interesse von Hobby-Archäologen und Touristen anregen.

2. Juni, Sibiu bis Caracal

Von Sibiu nach Craiova geht es durch die südlichen Karpaten. Der Hochpass nach Curtea de Arges ist leider wegen Schnee noch gesperrt, also muss es die Schnellstraße durchs Olt-Tal tun. Dieses liegt zwischen den höchsten Gipfeln der südlichen Karpaten, dem Fagaras-Gebirge im Osten und dem Paringul im Westen, beide über 2500 m hoch. Die Straße ist makellos ausgebaut, der Verkehr ist dicht, und der Kurvenspaß kommt im wesentlichen vom Lastwagen überholen.

Südlich von Ramnicu Valcea ist das Gebirge zuende, es beginnt das Tiefland der Wallachei. Die liebliche Landschaft wird hier schon mal durch Kraftwerke und Raffinerien verschandelt. Immer ärmlicher werden die Dörfer Richtung Donau, immer mehr Pferdewagen prägen das Straßenbild.

Ich erreiche Caracal bei Slatina in der südlichen Wallachei, nahe der bulgarischen Grenze. Der Simmerring am linken Gabelstandrohr ist hinüber, Öl trieft runter und gefährdet die Bremse. Ob ich damit noch bis nach Hause komme? Die rumänischen Strassen waren wohl ein bisschen zuviel für meine alte Suzi VX, die ja vom Fahrwerk her eigentlich ein Chopper ist. Eine Reparatur hier in der Wallachei halte ich für ausgeschlossen, auch in Bulgarien wird da wohl nichts gehen. Houston, we have a problem.

2. Juni, Caracal 2. Juni, Caracal

Ich spreche einen jungen Mann im Cafe an und frage nach einem Hotel. Gigi führt mich hin - ein vergammelter sozialistischer Plattenbau mit bestimmt 100 Zimmern - alle leer. Als Gigi hört, was das Zimmer kostet - 12 EUR - fallen ihm die Augen aus dem Kopf. 12 EUR ist fast ein Wochenlohn für die meisten Rumänen. Er bietet mir an, bei seiner Familie zu übernachten. Ich überlege nicht lange. Es gibt ein ordentliches Bett, ein Bad mit warmem Wasser, Papa Vasile spendiert Schnaps und Mama Mina macht ein üppiges Abendessen aus Suppe und gebackenem Donaufisch.

3. Juni, nach Bulgarien

Vasile verlangt kein Geld für die Übernachtung, das Abendessen und für das Frühstück aus Tomaten, Käse, Speck und gebratenen Enteneiern. Ich lasse trotzdem einen angemessenen Schein unterm Frühstücksteller liegen. Als ich vors Haus zu meinem Mopped komme, hat Vasile es bereits gründlich gewaschen und abgetrocknet.

Je weiter ich nach Süden komme, desto ärmer werden die Wallachei-Dörfer. In der nähe der Grenze zu Bulgarien gibt es fast keine Autos mehr, nur noch Pferdewagen. Die Leute schauen finster drein, die Lebensfreude hält sich hier in Grenzen.

3. Juni, Südliche Walachei 3. Juni, Südliche Walachei, Donaufähre nach Bulgarien

Die Strasse von Caracal direkt zur Donaufähre nach Orjahovo ist zwar laut Landkarte nur ein Feldweg, aber Vasile hat mir versichert, dass die Strasse nun asphaltiert ist. Sie ist es, und außer den Pferdewagen fast gänzlich ohne Verkehr.

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