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Georgien [1] - Batumi und Zestaponi

Reisebericht: Gregors Motorradreise um das Schwarze Meer
17. Mai - 18. Juni 2006

26.5.2006 - Batumi

An der Grenze zu Georgien erlauben mir die georgischen Grenzbeamten an drei Stellen, die diversen Warteschlangen zu umgehen, trotzdem dauern die Formalitäten fast 2 Stunden.

Zwei Stunden? Für einen einfachen Touristen? Eine Unmenge sinnlos scheinender Papierkrieg, grotesk viele verschiedene Beamte, mit denen man sich abgeben muss. Warten, Stempel, warten, zahlen, Stempel, warten, drängeln, schwitzen, ich halts nicht aus.

Alles ist anders in Georgien. Die Natur scheint intakt, zumindest gibt es nicht diesen frenetischen Straßenbau wie in Der Türkei. Das gefällt mir auf den ersten Blick, aber ich werde die Kehrseite später noch zu fühlen kriegen.

Die erste Stadt nach der Grenze ist Batumi. Dieser Ort geht zwar auf eine Gründung der alten Griechen zurück, aber was man heute hier sieht, ist offensichtlich nicht gewachsen, sondern wurde am Reißbrett entworfen und irgendwann in einem Guss aus dem Boden gestampft.

26.5.2006 - Batumi Große, saubere Boulevards, im Schachbrettmuster angeordnet. Bäume, Parks, wenig Verkehr. Es gibt viel Patina, viel Verfall, aber auch erstaunlich viel Restaurierung. Im Zentrum sind alle offiziellen Gebäude in Topform, die neuen Wohnblocks freundlich, sauber und lustig bunt. Am Stadtrand allerdings gibt es auch Hochäuser für die weniger gut betuchten Bürger. Die sind zwar auch lustig bunt, erscheinen aber nach unseren Maßstäben eher freudlos. 26.5.2006 - Batumi

Ich sehe hier keine Kopftücher oder Schleier, es gibt wesentlich mehr Kirchen als Moscheen, dies ist ein christliches Land.

Ich beobachte in einer Nebenstraße eine Keilerei unter Jugendlichen. Das Glück der Parteien wechselt, immer mal geht ein anderer zu Boden. Sofort wird der, der am Boden liegt, von der zurzeit im Vorteil befindlichen Partei mit Fußtritten traktiert. Echte Hyänen sind das, ohne Beißhemmung. Unsympathisch! 26.5.2006 - Batumi Damit mich niemand falsch versteht, damit meine ich nicht die Georgier en Gros, sondern genau diese zwei Grüppchen von Schlägern.

Mein Hotel ist, verglichen mit den Unterkünften in der Türkei die Tage zuvor, nicht gut. Für 13 EUR kriege ich eine steinalte Matratze, fehlende Klodeckel, eine verschimmelte Dusche, und das Wasser läuft nur in dünnem Strahl. Es hätte zu diesem Preis auch ein sauberes, nagelneues Motel am Stadtrand gegeben, aber das war voll.

Ich fahre und wandere durch die Boulevards der Stadt. Das Klima hier ist subtropisch-warm, man sieht Palmen, Zypressen, Magnolien, Oleander, Zitronen- und Orangenbäume. Auf dem 800 Meter langen Palmengesäumten Primorsky Boulevard am Strand des Schwarzen Meeres ist heute Volksfest.

26.5.2006 - Adjarili Chadjapuri Zum Abendessen genehmige ich mir gleich mal die hiesige Spezialität "Adjarili Chadjapuri". Ein wie ein Schiffchen geformter Pizzateig (ähnlich wie eine türkische Pide, nur viel dicker), üppig belegt mit Käse, einem aufgeschlagenen Hühnerei und Unmengen von Butter. Ordentlichen Hunger vorausgesetzt, ein vorzügliches Mahl, für nur 1 Euro. Vergiss Cholesterin.

26.5.2006 - Von Batumi nach Zestaponi

27.5.2006 - Von Batumi nach Zestaponi

[ Karte ]   Ich hab mir vor 6 Wochen zuhause von einem, der sich hier auskennt, ganz genau erklären lassen, wie man am besten von Batumi Richtung Tbilisi fährt. Die Küstenstadt Poti kann man umgehen, indem man kurz davor bei Ureki nach Osten abbiegt und die Abkürzung nach Samtredi nimmt. Und außerdem wurde mir eingeschäft, immer auf freilaufendes Rindvieh auf den Landstraßen zu achten.

Leider kann ich mich während der Fahrt nicht mehr so genau an die Details erinnern und biege viel zu früh bei Kobuleti nach Osten ab. Der Lohn dieser Entscheidung ist eine lange Fahrt durch die Berge des kleinen Kaukasus, mit einsamen Dörfern, Wäldern und, auch wenn das tiefe Grün im Regen etwas schwarzgrau erscheint, lieblichen Landschaften.

Der Preis dafür ist eine fürchterliche, miserable Straße. Ja, es gibt hier in der Tat zuwenig Straßenbau. Ich fahre durch kümmerliche Reste von Asphalt, und durch Schotter, Lehm, Schlaglöcher, Rutschpartien. Mit einer Enduro wär das hier kein Problem, aber mit meiner guten alten Suzuki VX 800, die ja eigentlich ein verkappter Chopper ist, ist es schon mühsam. Das alte Ross hält sich zwar gut, aber ich muss mich bei den rauen Passagen sehr langsam und mit viel Kraftaufwand durch arbeiten.

Ich hab mir vor meiner Abfahrt die Mühe gemacht, das georgische Alphabet zu erlernen. Die Georgier haben nämlich eine ganz eigene Schrift, welche weder mit der lateinischen, der griechischen, noch der kyrillischen irgendwie verwandt ist. Ich habe es hier, mit ganz wenigen Ausnahmen, nicht wirklich gebraucht, denn die Straßenschilder sind neben Georgisch auch in Russisch (jedenfalls die alten Schilder) oder, heutzutage vorzugsweise, in lateinischer Schrift verfasst.

Nicht überall in Georgien ist die Staatsmacht Herr der Lage, es gibt abtrünnige Provinzen (z.B. Abchasien und Süd-Ossetien), und Bergregionen (z.B. Svaneti), wo alleinreisende Touristen vor einheimischen Wegelagerern nicht ganz sicher sind. Aber hier, entlang der Hauptstraße S-1 herrscht Ordnung, dafür sorgen zahlreiche Polizeiposten.

27.5.2006 -  Paul 27.5.2006 - Russische IJ 350 In einem Städtchen namens Zestaponi muss ich wieder mal anhalten, um die Regenkombi anzuziehen. Ich hab sie heute schon fünfmal an- und ausgezogen. Während ich am Straßenrand sitze und mich mühsam in die Regenhülle zwänge, hält ein Auto neben mir. Heraus springt Pawel (Paul), und fragt mich in gutem Deutsch, woher und wohin. Er hat neun Jahre in Hamburg gewohnt, und ist vor drei Jahren hierhin zurückgekehrt. Er bietet mir Unterkunft im Haus seiner Familie an. Eigentlich wollte ich heut ja noch etwas weiter fahren, nach Gori, dem Geburtsort Josef Stalins, aber ich ändere meinen Plan kurz entschlossen und nehme die Einladung dankend an.

Paul stellt mir seine Familie vor, darunter die Mama, den Papa, Neffen, den Opa, die Nichte, den Hofhund. Und außerdem zeigt mir Paul sein Motorrad, eine 50 Jahre alte russische IJ 350 (ein Nachbau der DKW NZ 350), die er liebevoll und perfekt selbst restauriert hat. Sie ist übrigens zu verkaufen, ich kann den Kontakt vermitteln.

Paul zeigt mir die berühmteste Sehenswürdigkeit der Gegend, das Kloster Gelati mit seinem Dom und den Ruinen der Akademie. Sie wurden von dem König David dem Erbauer im 11. Jahrhundert gebaut. Die Akademie war das kulturelle und bildende Zentrum Georgiens. Hier lehrten international erfahrene Wissenschaftler, Theologen, Philosophen und Rechtsgelehrte. Die bedeutendsten Könige von Georgien, unter anderem David der Erbauer, Königin Tamara, Königin Rusudan und König Bagrat, sind hier begraben. Im Jahr 1994 wurde die Anlage von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt.

Ich gehe mit Paul auf den Gemüsemarkt, zum Fischhändler und zum Metzger, denn heute Abend soll es ein Festessen geben. Was wird gefeiert? Der Gast aus Deutschland. Die Festtafel erweist sich als das perfekte Dinner. Ein Dutzend Familienmitglieder aus vier Generationen sitzt am Tisch. Es gibt die verschiedensten delikaten Gerichte, und den eigenen Wein in Massen. Der Opa, 85 Jahre alt, hat früher das staatliche Weinkombinat geleitet, und er hat nichts verlernt vom Winzerhandwerk. Sein trockener, würziger Weißwein ist ein Gedicht, und ich muss davon Unmengen trinken. Jedes Mal, wenn Opa zum Trinkspruch aufsteht, und das macht er im Laufe des Abends mindestens ein Dutzend mal, werden alle Gläser randvoll gemacht, und es wird erwartet, dass alle Gäste das Glas nach dem Trinkspruch in einem Zug leeren. Ich hab mich einige Male brav daran gehalten.

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