Griechenland [1]: Chios und Athen

Reisebericht: Gregors Motorradreise um die Ägäis

26.Mai - 20. Juni 2003

10.6.2003 - Chios

10.6.2003 - Chios 10.6.2003 - Chios

Die Überfahrt von Cesme nach Chios ist kurz, etwa eine Stunde. Der Preis für die Fähre dagegen gesalzen: 75 EUR für Mann und Maschine. Eine so kurze Fährverbindung innerhalb Griechenlands würde kaum mehr als 10 EUR kosten, aber dies hier ist wohl ein politischer Preis. Die Fähre ist fast leer, ein paar Dutzend Menschen nur, und mein Motorrad ist das einzige Fahrzeug. Das Fährschiffchen ist klein und flach und die Ladefläche offen. Das führt dazu, dass ich meine Maschine bei der Ankunft mit einer feinen Schicht Meersalz überzogen vorfinde. Wer die Rostanfälligkeit einer Suzuki VX 800 kennt, weiß, dass das unerfreulich ist. Ich muss nach der Ankunft schnellstens eine Waschgelegenheit für mein Ross suchen.

10.6.2003 - Anavatos, Chios 10.6.2003 - Anavatos, Chios

Der Vormittag in Chios beginnt mit einer ausgedehnten Inselrundfahrt. Massiv hohe Berge, abgrundtiefe Canyons, versteckte, verlassene Dörfer die einmal als Fluchtburgen angelegt wurden. Eine dieser verlassenen Festungen ist Anavatos, auf eine Felsklippe gebaut, an zwei Seiten durch steil abfallende Felswände begrenzt, mit nur einem einzigen, engen, steilen Zugang.

Aber auch diese Fluchtburg verfehlte letztendlich ihren Zweck. Vor ca. 120 Jahren wurde fast die gesamte griechische Bevölkerung der Insel von den Türken ausgerottet. Das erklärt, auch nach so langer Zeit, die allgegenwärtige militärische Paranoia hier. Überall Kasernen, Munitionslager, Camps. Fotografieren natürlich verboten.

10.6.2003 - Chios

An der steilen Felsenküste findet man immer wieder kleine, exzellente, einsame Strände. Nur mit Mut per Fahrzeug zu erreichen, mit meiner VX sogar etwas halsbrecherisch - ich mach's trotzdem.

Zurück in der Stadt treffe ich am Hafen meine Gold Wings aus Cesme wieder. Er hat sein verlorenes Zolldokument doch noch gefunden, irgendwo in einem Winkel des Gepäcks. So eine Gold Wing hat offensichtlich zuviel Stauraum. Er brauchte nichts zahlen, und hat noch die zweiten Fähre am Abend erwischt.

Den Abend verbringe ich an der Uferpromenade von Chios City mit seinen 1000 Cafes und Restaurants. Dahinter, in der Gasse parallel zum Ufer, finde ich ein billiges Hotel für 20 EUR. Ich denke, da habe ich einen guten Griff getan, hier ist es ruhig, kaum Verkehr, und der Preis stimmt - was sich später als Irrtum erweist. Abends um 8 Uhr wird die Uferstraße für den Verkehr gesperrt, und für den Rest der Nacht fahren alle Autos durch meine Gasse. Und das Zimmer, obwohl sauber, ist auch nicht fehlerlos, die Matratze ist total verschlissen - ich schlafe auf den fast blanken Eisenfedern.

11.6.2003

Am Morgen finde ich eine Tankstelle wo ich die Maschine waschen kann. Der Tankstellenbesitzer erzählt mir was von den vielen Kampfhunden die es hier gibt, und von Hundekämpfen, die hier wohl populär sind. 11.6.2003 - Karfas, Chios

Etwas südlich von Chios City liegt Karfas, und hier ist wohl ein Zentrum des Pauschaltourismus, aber gar nicht mal schlecht. Einige der Fischerhäfen haben durchaus Atmosphäre. Kneipen aller Art gibt's mehr als genug. 11.6.2003 - Kapelle Agios Isidoros, Langada, Chios

Dann fahre ich weiter an die Nordküste. Hier ist es richtig schön, einige der Fischerdörfer scheinen vom Tourismus noch fast unberührt, was wohl zum großen Teil an der Vorsaison liegt. Beim Baden am menschenleeren Schotterstrand von Langada haue ich mir einen Seeigel voll in den Ellenbogen. Die nächste Stunde verbringe ich mit dem Entfernen der Stacheln, aber das gelingt nur teilweise. Noch heute, 3 Wochen nach dem Vorfall, hab ich ein paar Stachelteilchen in der Haut.

Der nächste Ort ist ein Juwel. Kardamyla bzw. Marmaro ist ein nettes Kleinstädtchen mit einer schnuckeligen Hafenpromenade. Die Stadt scheint echt lebendig zu sein und liegt in einem total grünen Tal am Meer.

Am späten Nachmittag packe ich meine sieben Sachen ein, fahre zum Hafen, mach es mir noch mal in einer Taverne gemütlich, und gehe um 22 Uhr mitsamt 3 Dutzend Lastwagen und 500 Menschen auf die Fähre. Die Kabine wartet, die Nacht ist kurz, morgen früh um 6 Uhr werden wir in Piräus sein.

12.6.2003 - Athen

12.6.2003 - Athen

Die Fahrt von Piräus ins Zentrum Athens verläuft haargenau wie die Unkenrufe im Reiseführer es beschreiben, und das, obwohl es noch nicht mal 8 Uhr ist. Eine Flutwelle von Lieferwagen, PKWs, Motorrädern, und Rollern. Die Zweiräder drängeln sich in Millimeterarbeit zwischen den Autos druch, wer nicht Gas gibt, geht unter, wer unvorsichtig die Spur wechselt, bringt sich oder andere um. Trotzdem, die Autofahrer zeigen Gleichmut und Rücksicht gegenüber den Zweirädern, und der Verkehr läuft noch nicht mal schlecht. Im Zentrum, nahe den Markthallen, in einem nicht gerade schicken Viertel, finde ich nach kurzer Suche ein sehr akzeptables Hotel für 40 EUR. 12.6.2003 - Athen, Akropolis

Dann tu ich mir die Akropolis an, trotz der unglaublichen Menschenmengen, die hier bereits um 10 Uhr durchgeschleust werden. Neben den antiken Ruinen wird die Akropolis zur Zeit auch von Gerüsten und Kränen dominiert. Die Zuckerseite des Parthenon, die Nordflanke, ist weitgehend demontiert. Die Teile werden restauriert, dort, wo es aus statischen Gründen erforderlich ist, ergänzt, und später wieder zusammengepuzzelt. Der Nike Tempel an der Südwestecke der Propyläen fehlt ganz. Er ist nach Lego-Art zerlegt, die Teile am Boden sortiert und nummeriert. Pünktlich zur Olympiade 2004 soll alles repariert und wieder säuberlich zusammengesetzt sein. 12.6.2003 - Athen, Thiseon (Hephaistos-Tempel)

Die Propyläen, das Erechtheion, das, was vom Parthenon zur Zeit noch steht, und auch der Blick rundum auf die Stadt sind trotzdem immer noch sehr beeindruckend und auf jeden Fall die Mühe des Aufstieges wert.

Ebenfalls sensationell ist der Thiseon (Hephaistos-Tempel) auf der alten Agora nordwestlich am Fuße der Akropolis. Dieser Tempel gilt als der best erhaltene ganz Griechenlands, wohl auch deshalb, weil er bis 1834 umbaut und als Kirche genutzt wurde, und so vor der Witterung weitgehend geschützt war.

Am Nachmittag lauf ich mir die Füße kreuz und quer durch die Markthallen und das Stadtzentrum wund, und lasse den Tag mit einem guten Essen in einem der zahllosen Restaurants in den engen Gassen der Plaka ausklingen.

13.6.2003

Am Morgen begebe ich mich gleich noch mal auf ausgedehnte Wanderungen in der Stadt. Omonia, Sintagma, Plaka. 13.6.2003 - Athen, Lykavittos 13.6.2003 - Athen, Lykavittos

Eigentlich wollte ich ja in Athen nicht Motorrad fahren, aber der Lykavittos, ein auffällig hervorstechender, unbebauter Felsenhügel mitten im Meer der Stadt, ist mir bei der Hitze zu Fuß zu mühsam. Also hole ich das Ross aus dem Stall und begebe mich ins Gewühl. Nach 30 Minuten bin ich oben an der Terrasse der kleinen Kapelle, und genieße die gigantische Aussicht auf die Stadt und das Umland. Zurück zum Hotel durch den Brutofen der City. Als ich ankomme, muss ich erst mal eine Riesenflasche Wasser in einem Zug ausleeren und verschlafe in meinem klimatisierten Zimmer den Rest des Nachmittags. 13.6.2003 - Athen, Plaka

Am Abend genehmige ich mir noch mal ein kleines, aber gutes Essen in der Plaka, und durchlaufe noch mal alle Gassen. Sehr effektvoll finde ich Odos Musikeus, eine Gasse, bestehend aus vielen Stufen am nordöstlichen Fuß der Akropolis, voller Restaurants mit griechischer Klischeemusik live. Die Harmonik, Melodik, und Instrumentierung ist eindeutig griechisch, das sagt aber nichts über die musikalische Qualität. Die liegt manchmal auf dem Niveau von Ballermann-Flamenco. Hossa!

Und kurz vor Mitternacht tritt auf dem Platz vor der Monastraki Station noch eine Samba-Perkussionstruppe auf, bestehend aus lauter griechischen Kids. Voila, musikalische Globalisierung.

14.6.2003

Die Stadtautobahn raus aus Athen ist die Hölle, eine Stunde lang Stopp und Go, bei 30 Grad bereits um 9 Uhr. Es ist Freitag, morgen beginnt das griechische Pfingstwochenende, und außerdem die Sommerferien. Was kann man da erwarten? Durchschlängeln ist für Zweiräder offensichtlich Pflicht, also mach ich's wie die anderen. Es artet in mühevolle Millimeterarbeit aus, wegen meiner klobigen Seitenkoffer. Bis Korinth ist der Verkehr dicht, dann auf der Autobahn und später auf der Landstraße wird's angenehmer.

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