Bulgarien
Reisebericht: Gregors Motorradreise um die Ägäis
26.Mai - 20. Juni 2003
4.6.2003 - Sandansk
Als erstes fällt nach der Grenze auf, dass auch hier die Wälder im Laufe der Jahrhunderte zu stark gerodet wurden. Ansonsten ist es der Jahreszeit entsprechend sattgrün, und die Straße hier kurz nach der Grenze ist exzellent. Viele Lastwagen sind unterwegs, immerhin sind wir auf der Hauptverbindung von Athen nach Sofija.
Sandansk
25 km nach der Grenze erreiche ich Sandanski. Es ist ein hübsches Städtchen mit mediterranem Flair. Das Zentrum ist eine lange Fußgängerzone, mit vielen Geschäften, Cafes, und Restaurants. In einem Buchladen finde ich endlich eine brauchbare Straßenkarte, nach der ich so lange vergeblich gesucht hatte.
Nach Feierabend ist hier, so scheint mir, die ganze Stadt gut gelaunt zu Fuß unterwegs. Nach kurzer Suche finde ich ein billiges, gutes Hotel (14 EUR). Allerdings muss ich 4 EUR für das sichere Parken des Motorrads in der Tiefgarage des großen Hotels nebenan berappen.
Hier in Sandansk ist es richtig gemütlich. Und billig: Ein Bier im Straßencafe kostet ca. 60 Cent, die Restaurants sind ähnlich preiswert. Auf der Straße sieht man noch Trabis, Wartburgs, Ladas und Moskovichs, die aussehen, als seien sie 40 Jahre alt, aber auch nagelneue Golfs, Audis, und BMWs. Zum Abendessen leiste ich mir in einem einfachen Restaurant beim Wochenmarkt Kartoffeleintopf mit Hähnchen, Salat und Bier, das Ganze für EUR 2,50.
Das Gewusel in der Fußgängerzone hält länger durch als ich. Trotz des Flairs und der schön anzuschauenden jungen Frauen mach ich um 22:30 Uhr schlapp und gehe schlafen.
5.6.2003 - von Sandansk nach Plovdiv
Ich wache um 6 Uhr auf. Das ist mir zu früh, denke ich und schlafe wieder ein, bis mich die Morgensonne um 9 Uhr aus dem Bett brennt. Das Frühstück ist merkwürdig. Kaltes, hartgekochtes Ei, Schafskäse, Marmelade. Milchkaffee nach meinem Geschmack gibt's in diesem Hotel nicht.
Ich fahre auf einen Feldweg oberhalb der Stadt um ein brauchbares Foto zu schießen. Wie zur Strafe muss ich hinterher 2 Glassplitter aus den Gummi pulen. Zum Glück sind die Reifen dicht geblieben, aber nur für ein Foto ist so was wirklich zu riskant.
Um 10 Uhr breche ich auf nach Norden. Die E79 Richtung Sofija ist nagelneu und hervorragend ausgebaut. Kurz vor Simitli biege ich auf der [19] nach Osten ab. Die Piste wird welliger, bleibt aber zunächst noch ziemlich gut. Die [84] von Razlog bis zur [8] bei Varvara ist eine üble Schlaglochpiste, schlechter als alles, was ich in Albanien befahren habe.
Die Landschaft dagegen ist toll, Pinienwälder, Schneegipfel, Bergdörfer mit Moscheen. Bei Pazardzik werde ich von einer Polizeistreife angehalten - ich sei zu schnell gefahren. Au weia, das kann teuer werden, ich war schon gewarnt worden. Ich wende mein breitestes Grinsen an, behaupte steif und fest, ich sei nur 50 km/h gefahren und bringe das Gespräch auf Stuttgart und Krassimir Balakov. Das wirkt Wunder, ich darf ungeschoren weiterfahren. Auf Strommasten an Straße, unmittelbar neben den vorbeidonnernden Lastwagen, sehe ich in mehreren Dörfern Storchennester.
Die Verständigung wird echt schwierig hier, Englisch oder Deutsch kann auf dem Land keiner, Griechisch hilft auch nicht, abgesehen davon, dass es beim Entziffern der kyrillischen Buchstaben hilft. Bei der Rast bestelle ich "Suppa" und "Salata" und kriege Hühnersuppe und Bauernsalat. Abends dasselbe: "Pizza" ist alles was ich sagen kann. Was den Belag betrifft, muss ich nehmen was kommt.
Plovdiv
Am späten Nachmittag erreiche ich Plovdiv, und nehme ein Zimmer im Hotel Leipzig, welches offensichtlich aus den frühen Zeiten der sozialistischen Bruderschaften stammt. Im Internet hatte ich vorher recherchiert, dass ein Zimmer dort preiswert sei. Ist es auch (20 EUR), aber dafür ist der Zustand des Hotels nach unseren Maßstäben beklagenswert, der Putz, die Tapete, die Ölfarbe, und der Beton rieselt.
Die Stadt hat, wie auch schon Sandanski, eine lebendiges Zentrum mit ausgedehnter Fußgängerzone. Es gibt einen großen, schattigen Stadtpark. Kids üben sich im Breakdance. Die historische Altstadt mit winkeligen Gassen, Kirchen und Moscheen ist sehenswert.
Im Nordosten der Stadt gerate ich in ein türkisches Hochzeitsfest. Es spielt eine Killer-Band mit Keyboard, Midi-Drums, E-Gitarre, Bass, Handtrommel, Saxofon, Klarinette, zwei Sänger und eine Sängerin. Die fabrizieren einen spitzenmäßigen Druck, typisch türkisch-orientalische Melodik, und brillant exakte, aber vertrackte Rhythmen, denen keine mitteleuropäische Sau folgen kann. Die Braut und alle Dorfschönheiten tanzen im Kreis, umringt von Hunderten von Zuschauern. Reizend anzusehen.
Auf dem Hügel im Zentrum der Stadt gibt es ein römisches Theater, das heute noch genutzt wird. Heute abend gibt's ein sinfonisches Konzert.
Auf dem Heimweg kurz vor Mitternacht muss ich durch den City-Park. Ist das sicher? Kein Problem, meinen die Polizisten, die dort Streife laufen, dir tut hier keiner was - allenfalls mal ein Besoffener, der die Ruhe etwas stört.
6.6.2003 - von Plovdiv nach Edirne
Fast Food ist ein Fremdwort im Hotel Leipzig. Für's Servieren des dürftigen Frühstücks brauchen die eine Ewigkeit und verplempern eine kostbare Stunde meiner Zeit. Dann mach ich noch mal eine Stadtrundfahrt, tanke, und nehme ein zweites Frühstück beim Wochenmarkt. Ein Bäcker macht dort Bürek - dem kann ich nicht widerstehen.
Nach Osten führt eine langweilige Schnellstraße, meist durch die Ebene. Bei Haskovo wird der Verkehr über Dimitrovgrad umgeleitet, und dieser Teil der Fahrt ist wesentlich interessanter. Noch ist alles sehr grün, die Dörfer sind nix aufregendes. Da fällt mir was auf: Man sieht in der Mehrzahl der Dörfer weder Kirchen noch Moscheen. Ist es dieser Umstand, der viele Orte so wenig einladend erscheinen lässt?