Auf dem Fernpass hat es gestern tatsächlich geschneit. Die Berge glitzern im Neuschnee, und Schnee liegt auf den Wiesen neben der Straße. Aber jetzt hat es akzeptable 10 Grad, und der Himmel ist blau.
Die Fähre nach Griechenland legt ab, pünktlich um 13.30 Uhr.
Der Laderaum ist ist bis auf den letzten Platz belegt, so was hab ich um diese Jahreszeit noch nie erlebt. Es liegt wohl daran, dass die Minoan Fähre auf der Strecke Venedig-Griechenland ausgefallen ist, und viel Lastwagenverkehr deshalb stattdessen auf die Verbindung von Ancona ausweichen musste.
Ausgefallen oder einfach abgesagt? Vielleicht führt die Rezession in Griechenland dazu, dass Fährverbindungen ausgedünnt werden.
Griechenland hab ich diesmal im Eiltempo durchquert. Außer einer grandiosen Berg-Etappe von 80 km am Kathara-Pass hab ich mich an die Autobahn gehalten, denn ich hab noch eine lange Fahrt vor mir.
Die ganze Autobahnstrecke, um die 700 km, hat weniger als 10 Euro Maut gekostet - für die gleiche Distanz muss man in Italien um die 50 Euro löhnen. Ich will mich nicht beschweren, aber so wird das nichts mit den griechischen Staatsfinanzen.
Um 18 Uhr gehe ich über die türkische Grenze, und kurz bevor es dunkel wird erreiche ich Tekirdag am Marmarameer.
Eine Fahrt durch die pittoreske Gebirgslandschaft des Bezirkes Bolu. Zielort Yenicaga, hübsch an einem See gelegen, Vogeschutzegebiet, natur pur. So hab ich es gelesen, so hatte ich es mir vorgestellt. Aber die ganze Fahrt heute ging durch einen endlosen Wolkenbruch, und es ist kalt wie an der Nordsee im November. Das Hotel ist ungeheizt. Das Dorf ist nur deshalb nicht staubig, weil heute alles hier nass ist. Die Situation kann nur noch besser werden.
Es geht aufwärts, es ist nicht mehr ganz so kalt, und es regnet auch nicht mehr den ganzen Tag.
Heute erreiche ich Amasya, mein erstes Zwischenziel. In einem felsigen Canyon an einem Fluss gelegen, ist die Stadt das Verweilen wert. Osmanische Bürgerhäuser am Steilufer über dem Fluss, darüber Königsgräber in den Fels gmeißelt, und auf der Felszinne eine Burg, deren Grundmauern schon von den alten Griechen gebaut wurden. Ein halbes Dutzend historische Moscheene und eine bröckelige Altstadt, die aber tapfer restauriert wird.
Hier will ich einen weiteren Tag verbringen.
22.05.2012, Amasya
Angeblich die schönste Stadt Ostanatoliens ist Amasya. Da ist was dran, hier kann man endlos flanieren, historische Bauwerke besichtigen, speisen, Tee (unter anderem) trinken, Eis essen. Ein Schweißtreibender Marsch auf die Spitze des Burgfelsens belohnt mit einen grandiosen Ausblick über die Stadt, den Fluss, den Canyon.
Inmitten schneebedeckter Bergketten liegt Erzurum, das wirtschaftliche und Kulturelle Zentrum Ostanatoliens. Die Stadt liegt fast 2000 m hoch, entsprechend rau kann hier das Klima sein. Im Winter kann es hier -40 Grad kalt werden, jetzt ist ein lauer Maiabend mit 9 Grad und heftigem Wind. Für den Spaziergang durch die Stadt brauch ich heut alles was ich an Pullovern und Jacken so mit habe.
Weiter nach Osten geht nicht, ein paar Kilometer weiter ist die Grenze zu Armenien. So was wie diese Stadt hab ich noch nicht erlebt, besonders bei dem heutigen trüben Wetter. Das Betonsteinpflaster der Straßen besteht aus Wellen, Pfützen und dazwischen Matsch. Es wuselt und lärmt trotzdem intensiv in den Basaren, Märkten und tausend Geschäften.
Zu besichtigen gibt es hier eine gewaltige, massive Zitadelle, die sich in diversen Kriegen in den letzten 200 Jahren als uneinnehmbar erwiesen hat. Und eine Armenische Kathedrale aus dem 9. Jahrhundert, inzwischen zur Moschee umfunktioniert. Ja und dann noch ein paar russische Prachtbauten aus dem 19. Jahrhundert, aber da ist nicht viel Pracht übrig. Die paar, die ich gesehen habe, waren leere Ruinen mit zerborstenen Fenstern.
Seit meiner Abreise ist das Wetter durchwachsen, und die Wettervorhersage verheißt eine weitere regnerische Woche. Gestern Abend war ich drauf und dran, die Reise abzubrechen.
Heute morgen gab es dann ein bisschen Sonne zwischen den Wolken, und da hab ich mich entschlossen, ich zieh die Sache wie geplant durch, auch wenns gelegentlich Frösche regnet.
Auf dem Weg nach Georgien muss ich über den Ilger-Pass, mit 2550 m das gleiche Kaliber wie etwa das Timmelsjoch.
In Ahalkalaki treffe ich Susanne und Stefan aus München, beide mit dem Motorrad auf etwa derselben Route unterwegs wie ich - nur anders rum. Wo die herkommen, will ich erst hin. Wir landen im einzigen Hotel des Ortes, von außen unscheinbar schwarz, von innen aus poliertem Marmor. Wir leisten uns zum Abendessen eine Forelle von fast 2 Kilo, sowas gibt es hier, und auch noch bezahlbar.
Eriwan, oder Yerevan, wie man heute schreibt, bietet mir etwas freundlicheres Wetter als Georgien. Die Stadt liegt etwa 1000 m über dem Meer, das ist tiefer als die letzten 4 Tage, wo ich ständig auf etwa 2000 m Höhe war. Entsprechend freundlicher zeigt sich die Sonne, es lockert auf und Regen gibt es auch fast keinen heute Abend. Das ist schon mal ein großer Fortschritt.
Hier werde ich zwei Nächte verweilen und morgen die nahegelegenen Kulturstätten besichtigen.
Wenn man nach Armenien fährt, besichtigt man Klöster und Kirchen, zum Teil über 1000 Jahre alt. Heut sind die nahe bei der Hauptstadt gelegenen Klöster Echmiadzin und Geghard dran.
Außerdem gibts in dem Dorf Garni einen 2000 Jahre alten griechischen Tempel. Der wurde nicht von den alten Griechen gebaut, sondern von einem Armenischen König. Griechischer Style war damals auch am östlichen Ende des schwarzen Meeres in, und der König meinte, das passe gut in seine Sommerresidenz. Cool.
Die Fahrt geht weit nach Süden, vorbei am Berg Ararat, bis an die (gesperrte) Türkische Grenze. Von dort durch die Berge zum Sevan-See, und an dessen Westküste nach Norden. Fantastische Landschaften, teils Wüste, teils sattgrün.
Ich finde ein Nachtquartier in Dilijan, ein sattgünes enges Tal mit alten Dörfern. Man nennt es auch die "kleine Armenische Schweiz". Ein lokaler Kunstmaler bietet hier Gästezimmer in seiner verwinkelten, alten, geräumigen, gemütlichen Villa.
Durch Canyons, Berge und Pässe geht es Richtung Norden. Nach einigen weiteren Klosterbesichtigungen erreiche ich wieder Georgien.
Etwas nördlich von Tiflis liegt Mtskheta, ehemalige Hauptstadt und religiöses Zentrum des Landes. Hier treffe ich massenweise polnische Motorradtouristen, und ich lande im selben Hotel wie die. Sie sprechen gut Englisch, und wir verbringen einen gemütlichen Abend miteinander.
Von Tiflis nach Norden geht es über die wildromantische Heerstraße Richtung Russland.
Einige Jahre war der Grenzübergang hier gesperrt, denn Russland und Georgien sind einander seit der Auflösung der UDSSR nicht grün. Seit diesem Jahr haben beide ein Einsehen, zumindest was diesen Grenzübergang betrifft.
Ich übernachte in Naltschik, Hauptstadt der russischen Teilrepublik Karbadino-Balkarien.
Die großen Städte der russischen Kaukasusgegend sind keine Postkarte nach Hause wert. Elend breite Boulevards, viel Verkehr, keine historische Bausubstanz. Maykop, Hauptstadt der Teilrepublik Adygeija und einer der Schwerpunkte der Erdölförderung im Kaukasus, ist keine Ausnahme.
Die Mehrzahl der Bevölkerung hier ist muslimisch, aber Moscheen sieht man selten.
Ich finde nur mit mit Mühe ein Gasthaus, etwas teurer als sonst, und etwas heruntergekommener. Im Nachbarzimmer wohnen Flüchtlinge aus Tschetschenien.
Die Städte hier mögen öde sein, aber auf dem Weg zur Meerenge von Kerch gibt es noch traditionelle russische Dorfromantik mit kleinen Bauernhäuschen und Ententeichen.
Jetzt hab ich zwar das Schwarze Meer fast umrundet, aber bis heute noch kein Meer gesehen. Das ändert sich jetzt. Ich bin in einem nagelneuen, aber menschenleeren Seebad-Hotel am am Azov-Meer, in der Nähe eines Dorfes namens Peresyp.
Die Temperatur des Meeres hier ist zwar ganz OK, aber das Wasser ist grünlich trübe. Mehr als die Füße hab ich nicht reingesteckt.
An der Fähre über die Meerenge von Kerch verplempere ich geschlagene 4 Stunden, obwohl die reine Fahrzeit nur 15 Minuten beträgt. An den Grenzstationen auf beiden Seiten arbeiten Dutzende von Zöllnern, Ticketkontrolleuren, Polizisten und so weiter. Wichtige Papiere und Stempel brauchen halt wichtige Leute, und die brauchen ihre Zeit.
Die erste größere Hafen- und Urlaubsstadt im Osten der Krim ist Feodosia. Heute ist Samstag, und hier ist voll der Ballermann auf Russisch. An der Hafentreppe gibts eine Musical-Show im Tschingis-Khan-Stil, die in ihrer professionellen Perfektion beeindruckt, auch wenn man jetzt nicht so sehr der Kasatschok-Fan ist.
Die Streckie zwischen Feodosia und Jalta bin ich jetzt vier mal gefahren, und sie ist immer noch eine der schönsten Motorradstrecken die ich kenne. Berge, Täler, Kurven, Strände und kaum Verkehr. Was will man mehr.
Allerdings braucht man für die Tour gesunde Bandscheiben, denn die Straße ist wellig. Sie ist auch dann wellig, wenn der Belag neu ist. In der Ukraine ist die Kunst, eine ebene Asphaltdecke zu verlegen, wohl unbekannt.
Am Ende eines endlosen, mindestens 20 km langen Sandstrandes liegt Jewpatorija, inmitten der Westküste der Krim. Hier ist Brandung, Sonnenschirm und Strandbar angesagt, und sonst nicht viel. Und auch letzteres ist noch nicht in Gang gekommen, Die Saison hat noch nicht begonnen. Es wird noch kräftig aufgebaut, renoviert und neu gebaut.
Inmitten der Altstadt werden ein paar Straßenzüge renoviert, es sieht aus wie eine Filmkulisse. Im Rest der Stadt bröselt der Putz, viel los ist hier nicht.
Warum die schmucke Barockstadt Ludwigsburg bei Stuttgart sich dieses Wildwestnest als Partnerstadt erwählt hat, ist mir ein Rätsel. Obwohl, Gegensätze ziehen sich an.
Ab Jewpatorija ist es vorbei mit der wunderbaren Berglandschaft der südlichen Krim. Bis Odessa fahre ich fast 400 km durch eintöniges Flachland.
Eine geschlagene Stunde brauch ich, um rein zu kommen in die Stadt, und vom Hotel muss ich noch ein gehöriges Stück laufen, um den Stadtstrand zu erreichen. Ein bisschen Lido-Flair erwische ich noch, mit den letzten Sonnenstrahlen.
Auch raus aus Odessa dauert fast eine Stunde. Nach Nordwesten geht die Fahrt nach Moldavien. Die oft gehörte Information, dass die Grenze im Osten Moldawiens, genau gesagt, die Durchfahrt durch Transnistrien für den Touristenverkehr gesperrt, oder nur unter Zahlung von Schmiergeldern passierbar sei, stimmt nicht mehr.
Trotzdem ist diese Route mit lästigem Papierkrieg an der Grenze verbunden, eine Stunde ist da im Nu verplempert.
Ich durchquere Moldavien, wo mir die Hauptstadt Chisisnau mit ihren Stop and Go Verstopfungen noch mal eben mindestens eine Stunde frißt. Ohne Navi ist der Weg übringens kaum zu finden, Wegweiser für den Fernverkehr gibt es fast keine.
Ab der Mittagszeit zieht sich der Himmel zu, und es wird kalt. Bis zum Abend fahre ich unter dunkelgrauem Himmel, das schlägt ein bisschen aufs Gemüt.
Es ist schon fast dunkel, als ich die Stadt Iasi in Rumänien erreiche.
Auch in Rumäniens entlegentstem Eck, östlich der Ostkarpaten, ist die Zeit nicht stehen geblieben, es gibt jede Menge Neubauten, neue Autos, einigen Verkehr.
Andererseits sieht man noch die alten, kleinen, grauen Bauernhäuser und es gibt immer noch Leute, für die das Pferdefuhrwerk das einzige Verkehrsmittel ist.
Das Städtchen Siret liegt direkt an der Grenze, morgen werde ich noch mal in die Ukraine einreisen.
Dieser Teil der Ukraine unterscheidet sich erstmal nicht groß vom angrenzenden Rumänien. Dieselben Pferdefuhrwerke, dasselbe Gemisch aus ärmlichen Bauernkaten und nagelneuen Villen. Aber je weiter ich nach Westen fahre, desto romantischer wird die Landschaft. Ein bisschen wie Schwarzwald, Vogesen und Allgäu schaut das aus, und in jedem Dorf gibt es mehrere der typischen südukrainischen Kirchen, aus Holz mit goldenen Kuppeln, oder fast ganz aus Weißblech gebaut.
Hier hat die Erdbersaison begonnen, am Straßenrand werden alle paar Meter die kleinen aber aromatischen Beeren für Pfennigbeträge verkauft.
Die Straße wird immer schlechter, es geht nur langsam vorwärts.
Am frühen Nachmittag erreiche ich die Grenze zur Slovakei. Die Grenzkontrollen sind ärgerlich langwierig, man merkt, dass man hier an der Außengrenze des Schengen-Raumes ist.
Kaum bin ich über die Grenze, ist die Welt wie verwandelt. Der Kontrast zur Ukraine ist krass. Die Straßen sind gut bis perfekt, die Autofahrer gesittet. Statt der orthodoxen Zuckerbäcker-Kapellen sieht man nun mitteleuropäische Kirchen.
Ich mache Halt in Kosice, die zweitgrößte Stadt der Slovakei. Hier gibt es ein großes, pittoreskes, denkmalgeschütztes Stadtzentrum. Die Hauptstraße ist Fußgängerzone, sie ist voller Straßencafes, Kneipen, Restaurants. Das wird ein Fußballfest heute.
Fußball im Straßencafe wird wohl nicht gehen, es sieht nach Regen aus. Ich werde mir einen indoor TV-Platz suchen müssen.
Von Kosice geht es nach Westen durch das Slowakische Erzgebirge, eine Fahrt durch sensationelle Landschaft, auf Straßen erster bis dritter Ordnung. Wieder mal einer der landschaftlichen Höhepunkte der Reise.
Am frühen Nachmittag regnet es leider wieder. Ich nehme Quartier in Trnava, etwa 60 km nördlich von Bratislava. Hier gibt es an diesem Wochenende das "City Music Festival". Hmm, das hört sich doch gut an. Im Hotel erfahre ich dann, dass dies ein frommes, christliches Rockfestival ist. Das dämpft dann schon mal meine Erwartungshaltung, aber schließlich zeigt sich, dass dies alles professionelle, erstklassige Profibands sind. Der stilistische Rahmen geht so etwa von Steppenwolf über Maffay bis Fanta4. Alles sehr hörenswert. Und wie oft sie nun "lobet den Herren" in ihre Texte eingebaut haben, weiß ich nicht, war ja tschechisch.
Noch ein mal übernachte ich auf der Reise, in einem Dörfchen im Innkreis nahe bei Passau. Morgen geht es dann an die letzte Etappe nach Stuttgart.
Vor sechs Jahren hatte ich mich schon mal aufgemacht, auf einer ähnlichen Route das schwarze Meer zu umrunden, nur damals ist das nicht ganz gelungen, weil die Grenze zwischen Georgien und Russland hermetisch dicht war.
Diesmal ging es, die Strecke betrug über 9000 km in 28 Tagen
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